AuFs WoRt ► Ifflandring
Ein gutes Allgemeinwissen ist für einen Texter unabdingbar. Schließlich geht es darum, einen Text im großen Ganzen zu sehen, zu überblicken und den Inhalt zu verstehen. Die fachliche Wortwahl zu beherrschen. Wortbedeutung und den Wortklang genau zu kennen. Und leicht kann im Gebrauch von Wörtern und Sprache ein Fehler entstehen. Denn einige Wörter haben sich so vehement Eintritt in die Alltagssprache verschafft, sich dabei verändert und mit neuem Sinn etabliert, dass man ihre eigentliche Bedeutung vielleicht gar nicht mehr richtig kennt. Man weiß nicht um ihre Entstehungsgeschichte und sollte, gerade bei Sprüchen, vorsichtig sein. Nicht nur mit abgedroschenen Phrasen – die in der Arbeit von Textern, Autoren und Journalisten sowieso nichts zu suchen haben – sondern auch mit Wörtern, die aus einer anderen Sprache entnommen und quasi „eingedeutscht“ wurden. Das Allgemeinwissen von Textern und Schreibenden benötigt also zudem einen großen Wissensschatz aus Wörtern, zu Sprache, Herkunft und Ausdruck. Eine gewisse Neugierde und Sensibilität. Hier liegt ein großer Vorteil für Texter, Wortfreunde und Sprachenthusiasten, denn: mit diesem Hobby wird es garantiert nie langweilig! Die Zeit des Begnügens ist vorbei. Das Wissen kennt kein Ende. Einige wissen vieles, niemand weiß alles. Zumal das Leben nicht nur aus Fakten besteht, sondern auch aus Legenden, übermittelt von Generationen. Zu diesen legendenumrankten Gegenständen gehört ein Begriff, dem ich erstmals in Stefans Zweigs „Die Welt von Gestern“ begegnete.

Diesmal in den verborgenen Stories:
Der Ifflandring
Was ist der Ifflandring und wer war Iffland?
Der Ifflandring ist ein mit einem Porträt von Iffland eingefasster Fingerring, der seinen Besitzer wechselt und den „besten Schauspieler deutscher Zunge“ ausweist. Der bedeutendste und würdigste Bühnenkünstler des deutschsprachigen Theaters soll damit gekürt und geehrt werden. Die Idee der Ifflandring-Tradition: Bis zum Tod des jeweiligen Schauspielers begleitet der Ring ihn, bleibt in dessen Besitz und wird an den nächsten großen Schauspieler weitervererbt. Aktueller Besitzer des Ifflandrings ist seit 2019 der deutsche Schauspieler Jens Harzer.
Iffland – der Namensgeber
August Wilhelm Iffland war ein deutscher Schauspieler, der von 1759 bis 1814 lebte. Als geschätzter Schauspieler seiner Zeit ist er noch mehr für seine vielfachen Verdienste bei der Verbesserung der Berliner Bühne und des Schauspielerstandes bekannt.
Der Ifflandring verstaatlicht
Nachdem der Ifflandring viele Jahrzehnte lang im Geheimen und Privaten kursierte, ist er seit 1954 Eigentum der Republik Österreich. Damit ist das Geheimnisvolle und Legendenumwobene, dass ihn bis dato umgab, aufgehoben. Doch trotz seinem Übergang in eine halbstaatliche Auszeichnung wird er weiterhin nach privaten Vorstellungen seines jeweiligen „Besitzers-auf-Zeit“ verliehen. Die Weitergabe ist mittlerweile insofern geregelt, als dass innerhalb der ersten drei Monaten des Besitztums bereits der Nachfolger bestimmen sein muss.
Der Ifflandring und die Frauen
Bisher wurde der Ifflandring traditionell nur an Männer verliehen. Eine spannende Frage der heutigen Zeit – in der die Gleichstellung und Gleichbehandlung so eine große Rolle spielt – ist, ob der Ifflandring es irgendwann an den Finger, oder in den Schmuckkasten, einer weiblichen deutschsprachigen Schauspielerin schafft. Schon 1978 befasste man sich wohl mit ähnlicher Frage. Die österreichische Bundesregierung brachte als weibliches Gegenstück des Ifflandrings den Alma-Seidler-Ring, den seit 2014 Regina Fritsch innehat, in Umlauf. Die legendenumrankte Geschichte des Ifflandringes wird er jedoch wohl nicht so schnell aufholen können, denn dazu gehören Generationen und mystische Überlieferungen.
Geheimnisse um den Ursprung des Ifflandrings
Keiner weiß ganz genau, was es zunächst mit der Entstehung und der Tradition der Weitergabe an den jeweils besten deutschsprachigen Schauspieler auf sich hatte. Wie der Ifflandring 1878 in den Besitz des Schauspielers Friedrich Haase gelang, und was in der Zeit bis 1911 passierte, ist kaum aufgezeichnet. Haben wirklich ganze Schauspielergenerationen den Ifflandring unbemerkt und im Stillen weitergegeben. Damit weder geprahlt, noch ihre Auszeichnung überhaupt erwähnt? Hat es einen echten Geheimbund gegeben, von dem die Öffentlichkeit all die Jahre nichts wusste? Schließlich starb Iffland bereits im Jahr 1814 in Berlin. Von dort, bis zum Nachlassfund bei Friedrich Haase, der Ring und Erklärung 1908 an Albert Bassermann adressierte, ist es ein weiter Weg.
Rätsel um den Ifflandring
Es gibt ein paar weitere Rätsel: Warum bekam gerade dieser Ring so viel Bedeutung zugeschrieben? Iffland hatte wohl mehrere Ringe, sieben sollen es mindestens gewesen sein, an seine Freunde verschenkt. War nur einer davon eingefasst und sollte den Weg durch die Schauspieler-Generationen hindurch antreten? Und dann war da noch Friedrich Haase. Ein Schauspieler, dem die Zuschauer geradezu verfielen. Seine Mode wurde nachgeahmt, seine Auftritte verzauberten. Er war von stolzer und eitler Natur. Wie konnte er so lange über diese ganz besondere Auszeichnung schweigen?
Der Ifflandring und das Marketing
Oder war die Ifflandring-Nachfolge vielleicht eine Art Marketing-Methode früherer Zeiten von Haase, wie es ebenfalls vermutet wird? Ein Weg, sich unsterblich zu machen, mithilfe eines großen Namens der Theaterwelt? Alles ist möglich und Haase wird dieses Wissen wohl mit ins Grab genommen haben. Fakt ist, dass die Geschichte des Ifflandrings ab 1911 mit Albert Bassermann weiterging – und ab da Höhen und Tiefen erlebte, die man sich ebenfalls nicht besser hätte ausdenken können. Zeitweise glaubte man an einen wahren Ifflandring-Fluch.

Ifflandring in modernerer Zeit bis heute
Albert Bassermann, deutscher Schauspieler, bekam den Ifflandring also von Haase übertragen. Er bestimmte drei Schauspieler testamentarisch für die Nachfolge. Die Reihenfolge lautete: Alexander Girardi, Max Pallenberg, Alexander Moissi. So konnte er sich seiner korrekten Weitergabe des Ifflandrings absolut sicher sein. Dachte er. Denn als nach Girardi (1918) und Pallenberg (1934) auch noch Moissi (1935) starb, er also alle drei hoffnungsvollen Schauspieler überlebte, überkam Bassermann endgültig das ungute Gefühl, mit dem Ifflandring Unglück heraufzubeschwören.
Bassermanns Befreiung vom Unglück
Er gab im Jahr 1935 den Ifflandring an die Theatersammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Für die nächsten Jahre pausierte der Ifflandring. Erst nach dem Tod Bassermanns 1952 kam der Ifflandring wieder zum Vorschein. Seit 1954 umgeben ihn auch feste Regeln, wie beispielsweise zur Festlegung eines Nachfolgers. Seit 2019 besitzt den Ifflandring Jens Harzer. Der deutsche Schauspieler ist seinem Publikum von den Münchner Kammerspielen, den Salzburger Festspielen und dem Hamburger Thalia-Theater her bekannt. Wie fühlt es sich an, Träger des Ifflandrings zu sein? Eine Auszeichnung über Generationen hinweg in seinem Besitz zu wissen?
Ifflandring zurück zur alten Tradtition
Man hört nicht viel. Nach einigen Schlagzeilen in früheren Jahren scheint der Ifflandring (wieder) in den Geheimbund zurückzufinden, der ihn einst ausmachte. Still verleiht er seinem Träger Anerkennung seiner schauspielerischen Leistungen, Stolz und Kraft. Nur spekulieren lässt sich, ob mit dem Besitz des Ifflandrings auch ein gewisser Druck entsteht, eine historische Verantwortung, große Erwartungen, ein bisschen Neid? Neben der Ehre auch eine Bürde? Schließlich muss der Besitzer dem Ifflandring lebenslang einen Platz in seinem Alltag einräumen, ihn hüten und bewahren. Und sich nicht vor ihm fürchten, wie einst Bassermann es tat.
Geheimnisse und Legenden rund um den Ifflandring
Der Ifflandring wirft viele Fragen auf und die Quellen, die über ihn berichten, sind nicht eindeutig. Einiges zu seiner Geschichte beruht wohl auf Annahmen, auf Fantasie, auf Wünschen und Eitelkeiten. Und einige Rätsel werden wohl bleiben und ihren eigenen Platz und Wert in der Geschichte des Ifflandringes finden.
Der Ifflandring und der Tod
Warum gleich alle drei der von Bassermann bestimmten Erben noch vor ihm starben, lässt sich nicht klären bzw. nur mit dem Zufall erklären. Moissi starb an den Folgen einer Lungenentzündung, Pallenberg bei einem Flugzeugabsturz, Girardi in einem Sanatorium. Unterschiedlich könnten die Todesursachen nicht verlaufen sein. Stefan Zweig hatte seinerseits jedoch ähnliche „Probleme“ in dieser Zeit, wie er in „Die Welt von Gestern“ schildert. Das Stück, das er geschrieben hatte und welches „Thersites“ heißen sollte, stellte er den angesehenen Schauspielern Adalbert Malkowsky und Josef Kainz vor. Nacheinander. Denn zuerst sagte der eine begeistert zu – und starb kurz darauf. Dann der andere – und starb kurz darauf. Als dann auch noch der Direktor des Burgtheaters Alfred Baron Berger im Vorfelde der Arbeit verstarb, glaubte Zweig an einen Fluch. Und als er 1935, auf Alexander Moissis drängenden Wunsch hin, – noch 1931 hatte er dem Freund aus Aberglauben sein eigenes Theaterstück verweigert -, ein Theaterstück übersetzte, starb Moissi vor dessen Aufführung. Es scheinen seltsame Jahre des Fluches am Theater gewesen zu sein. Eher nicht ausgehend vom Ifflandring.
Der neue Ifflandring in Uhrenform
Wohl in Anlehnung an den Ifflandring brachte Albert Bassermann eine ähnliche Tradition hervor. Als er 1952 starb, hinterließ er dem Schauspieler Martin Held eine Taschenuhr, die wiederum seitdem den Besitzer wechselt und innerhalb der Berufssparte weitervererbt wird. Über die „Albert-Bassermann-Uhr“ ist weniger bekannt. Doch vielleicht wird sie erst mit den Jahren und Jahrzehnten zur ganz großen Auszeichnung und hat dann so viele Geschichten zu erzählen, wie der Ifflandring.
Das Ende des Ifflandringes
Hat Albert Bassermann den Ifflandring wirklich im Krematorium auf Alexander Moissis Sarg gelegt und nur der Direktor des Wiener Burgtheaters war präsent und geistesgegenwärtig genug, ihn vor den Flammen zu retten? Die Tradition wäre mit dieser Tat Bassermanns 1935 jedenfalls fast beendet gewesen.
Irrung oder zweiter Ring?
Hat sich Stefan Zweig fälschlich erinnert? Er schrieb sein Werk „Die Welt von Gestern“ aus dem Exil in Brasilien, ohne Material und rein aus dem Gedächtnis. Im dem Lebenswerk heißt es, Alexander Moissi hätte den Ifflandring von Josef Kainz bekommen. Wörtlich: „Ich wusste, er [Moissi] hatte von Kainz den sogenannten Ifflandring geerbt, den immer der größte Schauspieler Deutschlands seinem größten Nachfolger vermachte.“ (Zweig, 1992, S. 208) Gab es einen weiteren Ring und Zweig verwechselte den Namen? Von Kainz fehlt jede Spur in der Übergabe und für Moissi kam es nicht so weit, wie ja überliefert wurde.
Die Besitzer des Ifflandrings sind folgendermaßen festgehalten:
- ca. 1815–1832 Ludwig Devrient
- 1832–1872 Emil Devrient
- 1872–1878 Theodor Döring
- 1878–1911 Friedrich Haase
- 1911–1952 Albert Bassermann
- 1954–1959 Werner Krauß
- 1959–1996 Josef Meinrad
- 1996–2019 Bruno Ganz
- seit 2019 Jens Harzer
Aufs WoRt: Ifflandring und Storytelling
Menschen lieben Geschichten. Gerade in der heutigen Zeit, wo man Dingen wissenschaftlich auf die Schliche kommt und jedes Mysterium versucht aufzulösen – und zu beseitigen – tun Geschichten und Legenden, Ungeklärtes und Charmantes gut. Um den Ifflandring ranken unzählige Geschichten und es scheint immer noch viel Ungenaues zu geben. Für die faszinierende Wirkungskraft von Historie braucht es vergehende Zeit, für Legendenbildung Unwahrheiten oder Ungenauigkeiten in der Übermittlung. Zum Glück bleibt das Storytelling. Das Storytelling schafft es, einen Gegenstand oder ein Thema mit all dem zu versehen, was uns als Leser hingucken und hinhören lässt. Storytelling soll aber nicht mit Märchen-erzählen verwechselt werden. Mit einer guten Geschichte können auch komplexe Informationen verständlich aufbereitet werden. Informationen werden von Ballast befreit und anschaulich und lesenswert dargestellt. Das macht ihre Kraft aus.

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Über mich
Ich habe im Frühjahr 2020 mein Unternehmen AuFs WoRt – Text & WortArt www.aufswort.art gegründet und bin seitdem als selbstständige Texterin in Freiburg im Breisgau tätig. Zunächst für Unternehmen aus „meinem“ Bereich Tourismus im Einsatz, kamen schnell Aufträge aus anderen Themenbereichen, z.B. Nahrung und Lifestyle, hinzu. Neben Texterstellung sind insbesondere meine Marketing Übersetzungen, aus dem Französischen oder Englischen ins Deutsche, gefragt. Sofern es die Auftragslage und freie Zeit zulässt, arbeite ich gern an eigenen Projekten, texte, probiere aus (siehe EigenArt), bilde mich weiter – und lerne dazu.