
Von Texter Weiterbildung, Schreibenden Selbstbewusstsein und „felt sense“
Das Thema Texte umschreiben ist ein Großes und verdient einen eigenen Blog Artikel. Perfekt geeignet ist es auch für die Überleitung in die Schreibberatung. Ich nutze daher die Gelegenheit und möchte diese spannende Möglichkeit der Texter Weiterbildung vorstellen. Denn mit einem steten interessierten Blick auf Texter Weiterbildungsmöglichkeiten habe ich 2019 erstmals von der Ausbildung zum Wissenschaftlichen Schreibberater des Schreibzentrums der PH Freiburg gehört. Und war sofort Feuer und Flamme. Mehr zum Schreibhandeln erfahren, sich mit der Struktur von langen Texten wie Hausarbeiten und Masterarbeiten befassen, das versprach echten Insidereinblick und ein fundiertes Textwissen. Und tatsächlich: Dem Ende der Ausbildung näherkommend, sind Wissen und Verständnis für Schreibprozesse grundlegend verfestigt.
Texte umschreiben = schreiben + umwerfen
Wer ernsthaft denkt, dass Texter nur ihre Finger auf die Tastatur legen und formvollendet lostippen, der hat sich ziemlich getäuscht. In kürzester Zeit ließe sich mit einem hervorragenden Stundenlohn Geld verdienen, entspannt, neben einer Tasse Kaffee, den Blick in die Ferne schweifend. Nein, die Texter Wirklichkeit ist eine andere. Genau wie die Wirklichkeit jedes Schreibenden. Selbst wenn – so wie just in diesem Moment – die Finger rasant Buchstaben erfassen und auf den Monitor bringen, ist es damit noch lange nicht getan. Dennoch: In jedem Fall richtig und ratsam ist es, das Schreiben nicht von Beginn an zu blockieren. Erst einmal drauflos schreiben, Inhalte sammeln, sich psychologisch überlisten, die „Angst vor dem weißen Blatt“ besiegen oder – besser – gar nicht erst aufkommen lassen, sich freischreiben, all das kommt lange vor dem Texte umschreiben. „Freewriting“ ist so denn auch eine feste Methode aus der Schreibberatung. Der Schreibprozess besteht aus verschiedensten Stufen und verlangt alles zu seiner Zeit: entwerfen – verwerfen – ja, sogar wegwerfen. Und schließlich, nach tausend Mal durchlesen, redigieren, umschreiben und korrigieren, entsteht ein umwerfender Text.

„Den Leser umwerfen gelingt erst nach Ende des kompletten Schreibprozesses aus Entwerfen – Verwerfen – Schreiben – Umschreiben – Durchlesen – Umstellen – Redigieren – Korrigieren.„
Der eindeutig fertige Text
Wenn ist ein Text eigentlich ein fertiger Text? Das klingt wie eine der schwierigsten Fragen im Texterberuf. Soviel sei gesagt: Der fertige Text hat wenig zu tun mit dem ersten Entwurf, dem Rohtext. Texten ist ein Handwerk. Doch gleichzeitig sieht man in wohl keinem anderen Handwerk so wenig von Aufwand und Arbeit bei der Entstehung. In keinem anderen Bereich hängt der Erfolg des Produkts vom Geschmack des Kunden ab – könnte man meinen. Ganz so ist es jedoch nicht. Denn ein fertiger und optimaler Text ist für den Leser ganz automatisch erkennbar, indem das Geschriebene:
- schon allein optisch zum Lesen einlädt
- einen spannenden Aufhänger („Teaser“) hat
- Unterhaltungswert hat und „fesselt“
- eine Struktur mit logischem Aufbau bietet
- lesenswert ist und Mehrwert bietet
- auf fundierte Informationen zurückgreift
- den Leser kennt, nicht überschätzt, nicht unterschätzt
- „den richtigen Ton trifft“ – Schmunzeln willkommen!
- keine Zeit stiehlt, im Gegenteil: ein Genuss ist
Bei Textaufträgen kommt zu den Erwartungen an den fertigen Text hinzu, dass alle Vorgaben aus dem Briefing erfüllt sind. Dass der Text die gewünschte Textsorte trifft und die geplante Botschaft aussendet. Dass er den Leser lenkt, gegebenenfalls eine Handlung auslöst. Bei Online-Texten gibt es oft noch weitere Intentionen, wie z.B. das Platzieren auf einem der ersten Plätze im Suchmaschinen Ranking. Durch Texte umschreiben oder umstellen ist es stets ein übersichtlicher Weg, vom optimalen Text zur optimalen Erfüllung – auch spontaner – Kundenwünsche.
Das Feedback der anderen
Es gibt wenig andere Jobs, zu denen einfach jeder eine Meinung hat. Denn schließlich geht es beim Texten um das geschriebene Wort. Und Schreiben hat jeder in der Schule gelernt. Jeder Schüler musste sich im Deutschunterricht mit Texten und Geschichten auseinandersetzen. Seine Meinung dazu kundtun. Fast jeder Mensch in Deutschland ist ein Leser. Eines ist klar: Der Texter darf mit Feedback rechnen und muss mit Kritik umgehen. Sich seine Stellung als Spezialist herauszuarbeiten ist anspruchsvoll und schwieriger als bei anderen Handwerken, deren Endprodukt sich von Unwissenden nur bestaunen lässt. Dafür hat der Texter aber auch den großen Vorteil, ständig an Lehrmaterial zu kommen. Er wird mit Weiterbildungsmöglichkeiten, durch Texte anderer, geradezu überflutet. Aus dem Postkasten fischt man Briefe, Werbebroschüren. „Warum spricht mich der Flyer so an?“ „Welche Worte wirken?“ „Auf welchem Inhalt bleibt mein Auge hängen?“ „Kenne ich die Bedeutung jedes einzelnen verwendeten Ausdrucks?“ „Was verfehlt die Wirkung?“ „Was würde ein Texte umstellen bewirken?“. Um dem Feedback anderer standhalten zu können, sollte man als Texter früh das Feedback-Verhalten erlernen und es sich zur Angewohnheit machen, Feedback selbst still zu vergeben. Mit dieser Übung erahnt man mit der Zeit immer mehr den Schreibenden hinter dem Text oder Schriftstück. Und Immer besser kann man auch sich und seine eigene Wortwahl und Vorgehensweise erklären.
Texter Selbstbewusstsein
Natürlich ist es anfangs nicht ganz leicht, seinen eigenen Wortpfad zu finden. Schließlich gibt es Millionen Möglichkeiten, einen Text zu schreiben, zu beginnen, aufzubauen. Schier endlose Variationen der Wortwahl, des Ausdrucks, der Tonalität. Was hilft dem Texter Selbstbewusstsein bei der Erstellung des Textes? 4 Dinge:
1.) den Auftraggeber kennen(lernen)
2.) die Zielgruppe, den Adressaten bestmöglich kennen
3.) das Briefing ausgiebig studieren
4.) mindestens 1 „Wow“-Information recherchieren und einbringen
Ein Texter Selbstbewusstsein baut sich nach und nach auf. Es müssen nicht gleich zu Beginn die ganz großen Projekte sein, die ein Neuling anstrebt. Das Gute am Textertum: eine Steigerung ist jederzeit möglich. Peu-à-peu, Wort für Wort lässt sich beginnen. Zunächst mit bekannten Wohlfühl-Textsorten, wie z.B. Blog Artikel. Mit Inhalten, die sich leicht ändern und optimieren lassen, wie Website Content, bei dem auch Texte umstellen jederzeit möglich ist. Mit Auftraggebern, die einen bereits kennen, den Schreibstil mögen und schätzen und sich lobend äußern. Der Texter merkt genau, wenn er stärker und wieder noch ein Stückchen besser geworden ist, gewappnet für größere Aufgaben und verantwortungsvollere Projekte.

Abstand zum Text
Wenn auch nahe dran an der Finalisierung – so richtig und vollends zufrieden ist man manchmal noch nicht mit seinem Text. Irgendetwas passt nicht, im Roten Faden, im Aufbau. Auch das Texte umstellen hat nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Nun hilft: Abstand zum Text gewinnen. Ihn eine Weile ruhen lassen, nicht beobachten, an anderes denken, sich anderen Themen widmen. Denn auch wenn eine Deadline sich irgendwo erhebt: das Leben besteht nicht nur aus Computertastatur. Tatsächlich bin ich persönlich der Meinung, dass man einen Text nicht allzu sehr belagern darf. Wie ein Kind wurde er erschaffen und hat seine eigene Persönlichkeit, seinen eigenen Willen mitgebracht. Will man zu viel auf einmal von ihm, bedrängt man ihn, setzt ihn unter Druck, dann wird er erst recht „bockig“ und störrisch. Kehrt man jedoch von einem kleinen Spaziergang fröhlich und frisch zurück, widmet sich ihm mit guter Laune, hat unterwegs kurz an ihn gedacht und ihm vielleicht sogar noch etwas – eine neue Idee – mitgebracht, dann wendet sich plötzlich alles zum Guten. Er wird sanftmütig, flexibel und umgänglich.
„Auch ein Text hat seine Persönlichkeit, seinen eigenen Willen. Will man zu viel auf einmal von ihm, bedrängt man ihn, setzt ihn unter Druck, dann wird er erst recht „bockig“ und störrisch.„
Textrecycling – Aus Altem Neues machen
Nicht alles muss immer gleich ganz neu erfunden werden. Manches ist bereits gut und braucht nur ein wenig neuen Schwung oder muss adaptiert werden. Überblick, Zusammenhänge erfassen und Erinnerungsvermögen haben, das hilft dem Texter bei seiner Arbeit. Im besten Fall: sich nicht nur an eigene Texte erinnern, sondern Interesse dafür entwickeln, was schon einmal entstanden ist. Sich z.B. die Website Texte ansehen, ältere Unternehmenstexte, Flyer und Printprodukte. Sinnvoll um:
1.) eine bestehende Tonalität zu erfassen und fortzuführen
2.) Textteile und gelungene Formulierungen für sich nutzen zu können
3.) noch (immer) aktuelle Inhalte „wiederzubeleben“
4.) sich mit dem Thema wie ein Insider/Mitarbeiter auszukennen
Auch um Inhalte in eine andere Textsorte zu bringen, eignet sich das Textrecycling hervorragend. Worte sind flexibel und geduldig. Ist der Inhalt erst einmal erstellt, kann durch das Texte umstellen und überarbeiten jederzeit die Hülle einer anderen Textsorte über Texte gestülpt werden. So kann aus einem Blog Artikel mit begrenztem Aufwand eine Pressemitteilung – und vice versa – werden. Aus einem Infoblatt wird SEO Content für die Website etc.

Runde Sache – „felt sense“
Bevor ich mich mit Schreibberatung beschäftigte und meine Weiterbildung zur Schreibberaterin begann, wusste ich nicht, dass es das gute alte stimmige Bauchgefühl als „felt sense“ offiziell gibt. Dass dieses wohlige Gefühl beim Schreiben einen Namen hat und es auch andere Schreibende kennen. Es war also früher schon keine Einbildung, wenn mein Magen beim Durchlesen meines Textes – an dem ich so lange gefeilt hatte – förmlich fröhlich hüpfte. Ich mir plötzlich 100% sicher war, den Text zur allgemeinen Zufriedenheit abgeschlossen zu haben und vor einem fertigen Produkt zu sitzen, zur Abgabe bereit. Bis heute erlebe ich es immer wieder, dieses gute und verlässliche Gefühl „felt sense“, das mir bestätigt, u.a. durch Texte umschreiben schließlich ein rundes Ergebnis kreiert zu haben. Lesenswert, ansprechend, informativ, sympathisch. Wenn man über „felt sense“ und „focusing“ liest, scheint es wie eine Wissenschaft. Und es heißt oft, das Gespür verlange ein Training. Nun, das scheint nicht immer der Fall zu sein. Texter haben Feinfühligkeit und Empathie, wenn es um ihre Texte geht. Ich persönlich hätte jedenfalls den Philosophen, Psychologen und Psychotherapeuten Eugene T. Gendlin, der die Focusing-Methode begründete, nicht als Lehrmeister benötigt. Aber es ist doch immer schön, wenn Dinge einen Namen haben. Bis dato hatte ich es für ein ganz individuelles Phänomen gehalten. Vielleicht werde ich irgendwann das Buch von Sondra Perl „Felt Sense: Writing with the Body“ dazu lesen.
Von Schreibblockaden und Schreibhemmungen
Häufig hört man Schreibende von einer „Schreibblockade“ sprechen. Insbesondere Schreibende, denen die Arbeit am Text aufgezwungen wurde, wie durch eine Abschlussarbeit oder eine Prüfung. Und leider kann die Freude am Schreiben tatsächlich schon einmal abhanden kommen. Jetzt heißt es: die Motivation zurückholen. Rechtzeitig aktiv werden. Was als „Schreibblockade“ definiert wird, ist selten eine. Nicht alles, was hemmt, ist sogleich eine Blockade. Vieles lässt sich ganz einfach auflösen, mit wenigen Tipps und Tricks aus der Schreibberatung und ein bisschen Zuspruch von außen. Den meisten Schreibenden macht lediglich eine Verzögerung in der Textproduktion zu schaffen, „Schreibhemmung“ genannt, ausgelöst durch ein verfestigtes ungünstiges Verhaltensmuster. Hier kann die Schreibberatung helfen. Eine Schreibblockade hingegen ist schwerwiegender und hat sich verfestigt. Schreibblockaden führen zu einer Vermeidungshaltung. Es sind quasi mehrere Schreibhemmungen zusammengekommen und haben eine Art „Wand“ gebildet, die sich vor dem Schreibenden aufbaut und zwar umgehen lässt, jedoch schwieriger und langwieriger. So weit sollte man es als Schreibender also möglichst nicht kommen lassen und das Schreiben bewusst locker angehen. Die Methode des „Freewritings“ hilft dabei: Freies Schreiben ohne Ambitionen, um in den „Schreib-Flow“ zu kommen und den Respekt vor den vielen weißen Seiten zu verlieren. Ist erstmal Text und Inhalt da, kann jederzeit später das Anpassen und Texte umschreiben erfolgen. Im umfangreichen Schreibprozess wird jeder Schreibende Stufen vorfinden, die er mit Elan und Freude nimmt, und Stufen, die ihm mühsamer und steiler vorkommen. Als professioneller Texter springt man hinauf und hinunter – oder glitscht gleich über das Geländer.
Bald gibt es mehr zum Thema Texter:

Über mich
Ich habe im Frühjahr 2020 AuFs WoRt – Text & WortArt www.aufswort.art gegründet und bin seitdem als freie Texterin in Freiburg im Breisgau tätig. Zunächst für Unternehmen aus „meinem“ Bereich Tourismus im Einsatz, kamen schnell auch Aufträge aus anderen Themenbereichen, z.B. Lifestyle, hinzu. Neben Texterstellung sind insbesondere meine Marketing Übersetzungen, aus dem Französischen oder Englischen ins Deutsche, gefragt. Sofern es die Auftragslage und freie Zeit zulässt, arbeite ich gern an eigenen Projekten, texte, probiere aus (→ siehe EigenArt), bilde mich weiter – und lerne dazu. Außerdem bringe ich gern Fotos und Texte zusammen, zu sehen in der Rubrik BildArt.
Das Wort geschrieben
oder gesprochen
gehört der Welt
der Text
vermisst
(unbewusst)
den Grund zur Art
ein eigenständiges
lebendiges
Wesen sein zu können
ihn stört
es nicht
er kann
sich der Wirklichkeit
seiner Ziffern
auf Papier
dem nicht erwehren
am Kinderreim
der Handschrift
auf Pergament
des Edlen
die Niederschrift
als These
als Lehrsatz
für alle Ewigkeit
bockig und störrisch
benimmt sich
nur der Leser
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Tolle Insights, liebe Corinna! Den „felt sense“ habe ich bisher auch nur gespürt und nie als Begriff wahrgenommen, wirklich interessant. Freue mich auf mehr!
Herzliche Grüße
Eva
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Hallo Eva! Vielen Dank für Deinen Kommentar. Die Schreibberatung hat wirklich tolle Insights geliefert und ich werde bestimmt noch mehr daraus „Revue passieren lassen“ – viele Grüße Corinna
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