Eindrücke und Ausdrücke – aufgenommen und skizziert an einem Sonntagnachmittag im Spätsommer, in der Freiburger Altstadt.
Die Stadt belauschen, das urbane Treiben von der Terrasse eines Cafés her beäugen, Gerüche einatmen. Sich zurücklehnen, einen Schluck Kaffee trinken, beobachten und vom alltäglichen Geschehen inspirieren lassen. Alltagsszenen auf sich wirken lassen, dann mit dem Stift in Wortskizzen festhalten: Urban Writing lässt die Stadt, das heimische Pflaster, in ganz neuem Licht erscheinen. Mit Beobachtungen, an denen man sonst vorbeisieht. Die vielleicht nicht der Rede, aber dennoch des Wortes, wert sind. Ergiebig für eine Texterin in Freiburg und andere Urban Writers.

„Urban Writing“ Szene 1 / Kopfsteinpflaster
Unebene Härte, überstehende Rundungen, unwegsame Furchen… alles hibbelt hin und her. Köpfe schaukeln von rechts nach links, von links nach rechts, schlackern, von vorne nach hinten, von hinten nach vorne. Sie hüpfen in die Höhe, sie wippen und schütteln sich. Der behelmte Kopf des Fahrradfahrers, die Kinderköpfe im Lastenfahrrad, der schüttere Kopf des Rollstuhlfahrers und die stolzen Köpfe der Autoinsassen. Freiburger Kopfsteinpflaster. Eine Last für die Fortbewegung, eine Rast für müde Glieder, ein Mittel gegen die Hast.
Freiburger Kopfsteinpflaster. Manchmal ein steiniges Köpfe-Laster.

„Urban Writing“ Szene 2 / Augustinerplatz
Da steht sie: Eine prächtige Kastanie, die von einer hölzernen Sitzbank kantig umrundet wird. Ein Mann im roten Pullover hockt geduldig unter dem Schirm aus Laub. Aus grünen und gelben Blättern. Aus stacheligen Kastanienbällen. Er harrt aus in gemütlicher Position, den linken Arm auf eine der Stützen gedrückt. Mal schaut er teilnahmslos in die Ferne, dann wieder blickt er auf die Armbanduhr an seinem rechten Handgelenk. Er dreht den Kopf, blickt sich um. Sieht wieder kontrollierend auf die Ziffern. Ohne erkenntlichen Grund steht er langsam auf, schultert seine Umhängetasche, geht mit großen, betont relaxten, Schritten die Gasse hinunter. Die blaue Jacke in der rechten Hand. Er bleibt vor einem Schaufenster stehen, spricht mit der Scheibe, weitet gestikulierend die Arme. Mit wem kommuniziert er? Eine Dame im grünen Pullover nähert sich ihm von hinten, ein Fahrrad mit blumengeschmücktem Fahrradkorb schiebend. Unter ihrem Kinn spannt ein lila Mundschutz. Ohne Aufhebens findet der Weg der beiden, auf geheimnisvolle Weise übereinstimmend, zusammen. Nebeneinander schlendern sie die Gasse wieder hoch und an der prachtvollen Kastanie vorbei. Rot und grün haben sich gefunden und gehen den weiteren Weg gemeinsam. In langsamen, und gleichzeitig großen, Schritten.

„Urban Writing“ Szene 3 / Spatzen (Rondell)
Er schießt durch die Lüfte,
geradlinig und zielbewusst.
Kein Hindernis im Wege.
Er schießt durch die Lüfte,
gefolgt von seinen Freunden.
Ein Fangen? Ein Spielen?
Er schießt durch die Lüfte.
Geradlinig und zielbewusst.

„Urban Writing“ Szene 4 / Berückend
Der Rücken einer Frau. Bedeckt von einer olivefarbenen Stoffjacke. Eine Kapuze legt sich wie eine Rolle unter den Nacken der Frau. Ihre grau-weißen Haare sind von den Zähnen einer großen braunen Klammer erfasst. An den Seiten widersetzen sich einzelne Haarsträhnen dem festen Biss. Streng sieht dieser Rücken aus. Alt und etwas müde. Die Frau bewegt sich kaum, sitzt da und hält den Kopf geneigt, den Blick auf den Asphalt vor sich gerichtet. Der Rücken strahlt die Geruhsamkeit einer älteren Person aus. Da – vollkommen unerwartet, eine Tempoänderung: Ein flüchtiger Blick nach links. Die linke Hand hebt sich eilig. Ein forscher Zug an einer Zigarette. Mit auffallend lässiger Haltung halten zwei gestreckte Finger den Stummel. Eine gekonnte Haltung, die von vielen Jahren Erfahrung und Routine zeugt. Und die die jungen Jahre durchblicken lässt. Die jungen, unvernünftigen Jahre eines alten, geruhsamen Rückens. Bedeckt von einer Kapuzenjacke.